Paywall-Modelle: Was Sie von Bild, Handelsblatt, Wired und Co. lernen können

Timo Lamour

Jahrzehntelang waren Medienunternehmen und Verlage auf Werbung als Haupteinnahmequelle angewiesen. Zu Beginn des Internetzeitalters gingen die meisten Verlage zunächst davon aus, dass sie ein ähnliches Werbemodell zur Monetarisierung ihrer digitalen Inhalte anwenden könnten.

Jahrzehntelang waren Medienunternehmen und Verlage auf Werbung als Haupteinnahmequelle angewiesen. Zu Beginn des Internetzeitalters gingen die meisten Verlage zunächst davon aus, dass sie ein ähnliches Werbemodell zur Monetarisierung ihrer digitalen Inhalte anwenden könnten.

Dieses Modell wurde jedoch durch zwei Akteure gestört: Nämlich Google und Facebook. Mit fast 70% haben diese Unternehmen einen so großen Anteil an den gesamten digitalen Werbeausgaben, dass Sie als Magazin- oder Zeitungsverlag über den Tellerrand hinausschauen müssen, um größere Einnahmen zu generieren.

Die gute Nachricht ist, dass einige Verlage sich bereits erfolgreich von der drohenden Abhängigkeit von Werbeerlösen befreit haben. Es versteht sich fast von selbst, dass diese Unternehmen vor allem auf digitale Paywall-Modelle zurückgreifen.

Deswegen möchte ich in diesem Artikel einige der vielversprechendsten Paywall-Modelle von heute hervorheben. Wenn Sie diese acht Fallstudien analysieren, können Sie vielleicht ein vielversprechendes digitales Abonnementmodell für Ihre eigenen Titel entdecken.



1 Boston Globes Fokus auf digitale Abonnements

The BostBoston Globes Fokus auf digitale Abonnementson Globe’s focus on digital subscriptions

Lassen Sie uns zuerst einen Blick auf den Boston Globe werfen, weil es die erste Lokalzeitung ist, die mehr digitale als Print-Abonnenten hat. Im ersten Quartal 2019 stiegen die digitalen Abonnements z. B. von 108.000 auf 112.000.

Ja, es gibt viele andere Zeitungen, die tolle Ergebnisse erzielt haben, indem sie verschiedene Paywall-Modelle etabliert haben. Allerdings waren das immer überregionale Zeitungen.

Wie also hat der Boston Globe dieses Kunststück vollbracht?

Ganz einfach. Der Boston Globe hat sich das Wachstum der digitalen Abonnenten als obersten Ziel gesetzt.

Dabei führen die Verantwortlichen der Lokalzeitung ihren Erfolg vor allem auf Experimente mit dem Metering-Paywall-Modell zurück. Zu aller erst beseitigte der Boston Globe eine Lücke, die es Nutzern ermöglichte die Paywall im Inkognito-Modus zu umgehen. Aber auch als viele Leser des Boston Globe ihren Unmut über diese Initiative auf Reddit zum Ausdruck brachten, blieb das Unternehmen standhaft.

Zweitens, reduzierte die Zeitung die Anzahl der Gratisartikel innerhalb eines 45-Tage-Fensters von fünf auf zwei. Und drittens, erweiterte die Zeitung ihr mobiles Angebot für digitale Abonnenten. Alles in allem war der Boston Globe mit dem erreichten Fortschritt sehr zufrieden.



2 Wireds Experimente

Wireds Paywall-Modell-Experimente

Auch Wired hat mit der Nutzung eines digitalen Paywall-Modells vielversprechende Ergebnisse erzielt. So konnte das amerikanische Magazin nach Einführung der Paywall einen Anstieg ihrer digitalen Abonnenten von 300% verzeichnen.

Wie hat Wired das geschafft?

Indem es in vielen kleinen Experimenten herausgefunden hat, was die Leser mögen. Als Wired zum Beispiel mit seinem Paywall-Experiment begann, hat es sich hauptsächlich auf drei neue Arten von Inhalten fokussiert. Diese Stücke waren detaillierte Reportagen, Ideen-Essays und Themen-Guides. Es stellte sich schnell heraus, dass einige dieser Texte sich hervorragend eignen, um Abonnements zu generieren. Als populäres Beispiel ist hier die Reportage mit dem Titel Facebook’s Hellish Two Years zu nennen. Aber auch Dinge wie Shopping Guides waren unter den beliebtesten Artikeln. Im Fall von Wired, führte also der Strategiewechsel hin zu hochwertigen ausführlichen Artikel zu einem beachtlichen Wachstum der digitalen Abonnements.

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Abonnentenzuwachs waren verschiedene Nischen-Newslettern.

Beispiel gefällig?

Wireds eigenen Angaben zufolge, wird ein Besucher, der über einen dieser Nischen-Newsletter auf die Website gelangt mit einer 19 Mal höheren Wahrscheinlichkeit zu einem Abonnenten als ein Besucher, der über eine Suchmaschine kommt. Die Newsletter stellen sogar die Social Media Netzwerke Facebook und Twitter in den Schatten. So ist die Wahrscheinlichkeit von Besuchern über Facebook und Twitter 12 Mal bzw. sechs Mal geringer.

Auch auf die Optimierung des Anmeldeformulars hat das Magazin viel Zeit investiert. Zum Beispiel hat es herausgefunden, dass das Hinzufügen einer Bezahloption für Amazon Pay zusammen mit der Aufforderung „place order” (Bestellung aufgeben) statt „start my subscription” (mein Abonnement starten) sehr geholfen hat.

Es gab natürlich auch einige fehlgeschlagene Experimente. So versuchte Wired Abonnenten durch das Angebot eines sogenannten YubiKeys zu locken. Sie boten den Abonnenten sogar eine Abdeckung für ihre Laptop-Kameras als Geschenk an. Diese Experimente führten jedoch nicht zu einem nachhaltigen Wachstum. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Magazin viele Ressourcen in Experimente zur Optimierung der eigenen Paywall investiert hat. Während einige nicht funktionierten, trugen andere dazu bei, die digitalen Abonnements zu steigern.



3 Dagbladets personalisiertes Paywall-Modell

Dagbladets personalisiertes Paywall-Modell

Dagbladet ist eine große norwegische Zeitung, die mit personalisierten Paywalls ihrer digitalen Einnahmen deutlich gesteigert hat.

Mittlerweile hat die Zeitung mehr als 85.000 digitale Abonnenten. Über sechs Monate hinweg hat die Zeitung einen eigenen Algorithmus entwickelt, um ihren Besuchern personalisierte Inhalte auf ihrer Website zu zeigen.

Der Algorithmus berücksichtigt hierfür bestimmte Verhaltensweisen, wie z.B. ob Leser einen bestimmten Artikel mehrmals lesen und ob sie sich ähnliche Artikel anschauen. Er lässt außerdem die Verweildauer einfließen, um den Nutzern Inhalte zu liefern, die für sie besonders relevant sind. Durch diesen Algorithmus, schafft es Dagbladet seine Leser mit personalisierten Inhalten zu versorgen und steigert gleichzeitig die Erlöse.

Die Leser scheinen diese Art von Personalisierung zu mögen. Die Zeitung behauptet, dass seit der Einführung des personalisierten Paywall-Modells die Abonnements um mehr als 100% gestiegen sind. Dennoch erzielt Dagbladet seine Einnahmen immer noch überwiegend mit Werbung (nämlich riesige 90%). Das Magazin und sein Mutterunternehmen Aller Media wollen dieses Verhältnis jedoch in Zukunft deutlich ausgeglichener gestalten.

Natürlich ist noch unklar, ob Dagbladet das beeindruckende digitale Abo-Wachstum fortsetzen kann. Dennoch zeigt es schon jetzt das Potential von personalisierten Paywalls.



4 Das harte Paywall-Modell von Handelsblatt

Das harte Paywall-Modell von Handelsblatt

Die Wirtschaftszeitung Handelsblatt, ist mit einem extrem harten Paywall-Modell erfolgreich. Dabei ging das Blatt erst im Frühjahr 2018 zu einer Abo-Strategie über, die sich verstärkt auf digitale Abos konzentriert. Heute enthält die Website nur noch wenige Artikel, die ohne ein Abonnement zugänglich sind. Der Rest befindet sich hinter einer Paywall. In der App sind sogar gar keinen freien Inhalte mehr verfügbar.

Bei der Einführung der Paywall spielten A/B-Tests erneut eine entscheidende Rolle. Das ultimative Ziel war nicht nur die Verbesserung des Kundenerlebnisses, sondern auch die Verbesserung der Conversion Rate. Parallel dazu startete das Unternehmen mobile Marketingmaßnahmen und schuf mithilfe von E-Mail Sequenzen personalisierte Kaufprozesse.  

Die harte Arbeit hat sich gelohnt. Zum Ende des Jahres 2018 konnte das Handelsblatt den Umsatz durch seine Paywall um mehr als 25% steigern. Über die App wurden sogar aus beachtlichen 58% der Kunden nach einer kostenlosen Testphase zahlenden Abonnenten.



5 Die Financial Times war dem Paywall-Trend voraus

Die Financial Times war dem Paywall-Trend voraus

Die Financial Times, eine der am meisten respektierten Zeitungen der Welt, war eine der ersten Titel, die sich für ein Paywall-Modell entschieden haben. Alles begann bereits im Jahr 2002 mit der Einführung von Online-Abonnements.

Im letzten Jahr hat die Zeitung eine Million Abonnenten erreicht. Noch beachtlicher für die Financial Times sind allerdings zwei Punkte. Erstens, dass 75% ihrer Abonnenten digitale Abos abgeschlossen haben und zweitens, dass 70% außerhalb Großbritanniens leben.

Also wie ist die Financial Times so erfolgreich geworden?

Ihren Erfolg verdankt sie vor allem einem stark datengetriebenen Ansatz. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, hat die FT im Laufe der Jahre eine immense Menge an Daten über ihre Leser gesammelt.

Die Zeitung nutzt diese Daten, um sowohl ihre Reichweiten- als auch ihre digitalen Produktstrategien zu optimieren. Durch einen bestimmten Engagement Score können die eigenen Redakteure besser verstehen, welche Geschichten am besten funktionieren und warum.

Letztlich liefert die Financial Times natürlich auch einfach einen hervorragende Wirtschaftsjournalismus, sodass viele Kunden bereit sind, für diese Informationen zu bezahlen.



6 Bild und die Macht der Videos

Bild und die Macht der Videos

Die Boulevardzeitung Bild unseres Kunden Axel Springer, zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie Videos zur Steigerung der Abonnementenzahlen nutzt.

Während das Unternehmen kurze, einminütige Videos anbietet, die für jeden zugänglich sind, platziert es die detaillierten, längeren Videos hinter der Bild-Plus-Paywall.

Warum Bild das so macht?

Im Wesentlichen deshalb, weil sie herausgefunden haben, dass acht der zehn Artikel mit der höchsten Conversion Rate entweder Videodokumentationen sind oder Videos in irgendeiner Form enthalten. Bild Plus enthält natürlich nicht nur die vom Bild-Team generierten Videos, sondern auch andere Videos, die sie von Produktionsfirmen lizenziert hat.

Das Paywall-Modell von Bild Plus gibt es in dieser Form seit 2013. Seitdem hat die digitale Paywall rund 400.000 Abonnenten generiert, die monatlich im Durchschnitt 13€ zahlen.

Beispiele für Videos auf der Bild-Plus-Plattform sind eine kurze Dokumentation über den ehemaligen Tennisspieler Boris Becker und die Ehe zwischen der Instagram-Influencerin Ina Aogo und des Fußballers Dennis Aogo.

Da Videos in der heutigen Content-Welt immer wichtiger werden, können Video-Paywalls für Medienunternehmen wie Bild eine hervorragende Möglichkeit sein, signifikante Einnahmen zu erzielen.



7 Das werbefreie, Abo-Only-Modell von The Athletic

Das werbefreie, Abo-Only-Modell von The Athletic

The Athletic ist ein schnell wachsender Sportnachrichten-Abonnementdienst, der ein werbefreies, ausschließlich auf Abonnements basierendes Paywall-Modell nutzt. Bis zum Oktober 2019 hat das junge Medienunternehmen über 600.000 Abonnenten gewonnen.

Dabei geht die Nachrichten-Website einen spannenden Weg. Denn sie ist die einzige werbefreie, ausschließlich im Internet verfügbare Bezahlplattform für lokale Sportnachrichten. Von Anfang an hatte das Unternehmen eine Paywall. Die Gründer wollten nicht, dass sich die Leser über Pop-ups oder Autoplay-Videos ärgern müssen. Vielmehr wollten sie ein angenehmes Umfeld schaffen, indem die Nutzer sich ohne Ablenkung über ihre Lieblingsmannschaft informieren können.

Aber nur weil das Unternehmen durch Abonnements an Aufwind gewonnen hat, heißt das nicht, dass The Athletic nicht mit Werbung experimentiert hat. Konkret hat es z. B. einen täglichen Podcast namens The Lead gestartet, der vollständig außerhalb der Paywall veröffentlicht wird. Während der Podcast mit Werbung finanziert wird, ist das ultimative Ziel des Podcasts, nach Angaben von The Athletic, potenzielle Abonnenten anzuziehen.



8 Das vertikale Paywall-Modell von Esquire

Das vertikale Paywall-Modell von Esquire

Zum Schluss habe ich noch ein sehr interessantes Paywall-Modell für Sie: Das vertikale Abonnementmodell von Esquire. Es handelt sich konkret um ein Mikro-Abo, das um einen ihrer beliebtesten Redakteure namens Charles Pierce aufgebaut ist.

Pierce schreibt seit 1997 für Esquire. Seit einiger Zeit können interessierte Leser nun $17,99 pro Jahr zahlen, um seine Inhalte exklusiv zu lesen. Abonnenten dieses Mikro-Abos erhalten dabei Zugang zu all seinen Texten, anstatt auf der Website nur drei freie Artikel pro Monat lesen zu können.

Nach Angaben des Verlags lesen im Schnitt 60.000 Menschen pro Tag die Geschichten von Pierce. Seit Einführung des Paywall-Modells konnte Esquire innerhalb eines Jahres so 10.000 neue Mikro-Abonnenten gewinnen.



Fazit

Diese acht Beispiele sind ein Beweis dafür, dass auch für Ihr Medienunternehmen ein Paywall-Geschäftsmodell funktionieren kann. Wenn Sie offen sind, einige Änderungen Ihrer Firmenkultur vorzunehmen und sich Zeit nehmen, einige interessante Experimente durchzuführen, dann haben Sie ausgezeichnete Chancen ein nachhaltiges Wachstum mit einem Paywall-Modell zu verzeichnen.

Auch der allgemeine Trend in der Medienbranche geht ganz klar in Richtung Paywall basiertes Abonnementmodell. Obwohl die Feinheiten natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind, wird Ihnen dieses Modell in den meisten Fällen eine stabilere Umsatzbasis im Vergleich zu einem „Advertising First“-Modell bieten.

Und was noch wichtiger ist: Durch Paywalls können Sie eine noch engere Beziehungen zu Ihren Lesern aufbauen, was wiederum die Kundenbindung fördert.

Wenn Sie herausfinden möchten, wie wir Ihnen helfen können, Ihre eigenen Inhalte zu monetarisieren, kontaktieren Sie uns hier. Unsere Optionen umfassen Paywalls, Abonnements, Video-Pre-Roll-Anzeigen und viele weitere.

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Kevin Kallenbach
Head of Sales