Kein Ende der Disruption in Sicht: Aktuelle Insights der Verlagsbranche

Ninja Sinke

Führungskräfte internationaler Medienunternehmen kamen im April 2024 auf dem INMA-Weltkongress in London zusammen. Die wichtigsten Insights zu den von ihnen diskutierten Trends, Chancen und Herausforderungen der Verlagsbranche finden Sie in diesem Artikel.

Auf dem diesjährigen INMA-Weltkongress diskutierten 649 Führungskräfte zur voranschreitenden Disruption der Verlagsbranche und den sich daraus ergebenden Herausforderungen und Chancen. Earl J. Wilkinson, INMA-CEO, verkündete in seiner Eröffnungsrede, 2024 sei für die Nachrichtenmedien ein „großartiges“ Jahr. Grund dafür sind einerseits insgesamt 76 Wahlen, die weltweit 4 Milliarden Menschen beeinflussen. Auch die Olympischen Spiele in Paris werden medial für großes Aufsehen und intensive Berichterstattungen sorgen. Trotz des Nachhalls von Inflation, Krieg und Pandemie lesen mehr Menschen denn je journalistische Inhalte, zudem sind Lebensstandard und Alphabetisierung gestiegen. Eine weitere positive Entwicklung der Medienlandschaft: das zweistellige Wachstum digitaler Abonnements. Als negative Entwicklung beschreibt Wilkinson die weiter voranschreitende Abnahme des Vertrauens der Menschen in Nachrichtenmedien. Dazu kommen der unerbittliche Vormarsch von Desinformation und Fehlinformation und die Rückläufigkeit des Anteils und des Volumens von Werbung.

Die wichtigsten aktuellen Insights der Verlagsbranche

Der Frage, was die Führungskräfte internationaler Medienunternehmen aktuell beschäftigt, widmen sich die folgenden Textabschnitte. Medienschaffende aus 48 Ländern waren auf dem INMA-Weltkongress vertreten und sprachen über aktuelle Herausforderungen und damit einhergehende Chancen. Es lassen sich drei wichtige aktuelle Insights identifizieren:  

  • Generative KI: Verständnis und Implementierung von Generativer KI sind unumgänglich, die Technologie hat jedoch Potenzial, sowohl Nachrichtenmedien als auch Gesellschaft zu verändern und zu stören
  • Abonnementmodelle: digitale Abonnements ermöglichen die Aufrechterhaltung und Steigerung der Einnahmen. Dabei ist zu beachten, dass Nachrichten ein verfügbares Produkt für die Breite der Gesellschaft bleiben und kein „Nischenprodukt für die Elite“ werden  
  • Digitale Transformation unterstützt die Ansprache jüngerer Zielgruppen und ermöglicht die Erreichbarkeit verschiedener Generationen mit Medieninhalten  

Ära der generativen KI  

Generative KI ist in der Verlagsbranche keine große Unbekannte mehr, sondern längst zu etwas Bekanntem geworden. Zu diesem Ergebnis kommt eine INMA-Umfrage unter 55 Medienvertretern im April 2024. Die Technologie verspricht der Medienbranche – in dieser Reihenfolge – gesteigerte Effektivität, Produktivität und Effizienz. Der Internationale CEO der Ringier Media, Dmitry Shishkin, geht in seinem Vortrag noch weiter und spricht davon, dass Generative KI im Inbegriff ist, für die Medien- und Verlagsbranche Mainstream zu werden. David Caswell, Gründer einer Innovationsberatung mit Schwerpunkt auf KI-Workflows in der Nachrichtenproduktion, erklärte in seinem Vortrag, die Branche befinde sich momentan in einer Phase, in der KI eindeutig Anwendung bei bestehenden Aufgaben und in Workflows findet. Dazu zählen unter anderem die Erstellung von Titel und Transkripten sowie Zusammenfassungen aber auch Suchmaschinenoptimierung. Die schnelle Anpassung der Verlagsbranche an die Präsenz von KI wird dabei deutlich.  

Quelle: Earl J. Wilkinson, INMA-Weltkongress

Caswell sprach in seinem Vortrag auch davon, dass sich die Prioritäten der Nachrichtenmedien im Zeitalter von generativer KI verändern werden und erläuterte die frühen Zeichen eines erneut bevorstehenden Wandels. Er verglich den Einfluss der generativen KI auf den Journalismus mit der Wirkung der Elektrizität auf die Gesellschaft in den späten 1880er-Jahren. Seine Prognose: eine zweite Ära des Journalismus und eine Ära der generativen KI.

Die grundlegende Struktur des Nachrichten- und Informationssystems werde sich ihm zufolge in den kommenden fünf Jahren und darüber hinaus massiv verändern. In der sogenannten Übergangsphase der kommenden zwei bis fünf Jahre prognostizierte Caswell unter anderem das Aufkommen neuer Wettbewerber, Produkte, Prozesse und Machtstrukturen für die Medienbranche. Zu neuen Kategorien des Wettbewerbs komme es etwa aufgrund der zunehmend demokratisierten Produktion von Inhalten (User Generated Content). Nutzer haben zudem die Möglichkeit, ihren KI-Konsum eigenständig zu beeinflussen – indem sie etwa die KI-Stimme eines Audioformats auswählen oder sich Texte mithilfe von KI in anderer Sprache anzeigen lassen. Aufgrund der von Caswell prognostizierten Veränderungen könnte die grundlegende Struktur des Nachrichten- und Informationsökosystems in fünf Jahren gänzlich anders aussehen als wir es heute kennen.

Quelle: David Caswell, INMA-Weltkongress

Die Reaktion von Nachrichtenproduzenten auf KI sollte Caswell zufolge besonders sorgsam und überlegt sein. Er verweist auf verschiedene vielversprechende Möglichkeiten: im Vordergrund steht die Entwicklung von Richtlinien zur Nutzung von KI. Außerdem empfiehlt er Nachrichtenproduzenten, ihren Angestellten die Arbeit mit Prompts sowie das Verfassen von Prompts beizubringen. Es sei wichtig, KI jeden Tag selbst zu nutzen und so den Umgang mit dieser Technologie zu optimieren. Caswell beendete seinen Vortrag mit den eindringlichen Worten „Beschäftigen Sie sich jetzt mit KI.“ Medienschaffende sollten diesbezüglich keine Zeit verlieren.  

Auch Katharina Neubert, Vizepräsidentin Strategy & Investments der Holtzbrinck Publishing Group, betont in ihrem INMA-Vortrag, dass Verlage sich unbedingt an generative KI heranwagen sollten. Sie empfiehlt die Entwicklung einer Taktik basierend auf den „Superkräften der generativen KI“, weist aber darauf hin, dass Menschen dennoch ein zentraler Teil des Wertschöpfungsprozesses bleiben sollten.  

Abonnementmodelle als zweischneidiges Schwert  

Auch Abonnementmodelle waren auf dem INMA-Weltkongress Diskussionsthema. Earl J. Wilkinson warf in seinem Vortrag die Frage auf, ob das reine Abonnementmodell die Wirkung und den Einfluss der Nachrichtenmedien künftig verringern könnte. Mit der Verlagerung der Nachrichtenindustrie zu digitalen Abonnementmodellen „um jeden Preis“ gingen Wilkinson zufolge potenzielle Probleme einher: Abonnementmodelle könnten dazu beitragen, dass sich die Zahl der Menschen, die Zugang zu journalistischen Inhalten haben, verringert. So würde Journalismus nicht mehr als ein wesentliches Gut gelten, sondern stattdessen ein Nischenprodukt für reiche und gebildete Eliten werden.  

Wilkinson mahnte daher, dass Strategien verfolgt werden sollten, mit denen journalistische Marken essenziell bleiben und ihren gesellschaftlichen Einfluss aufrechterhalten können. Er appellierte, dass das Vertrauen in den Journalismus in großem Maßstab zurückgewonnen werden sollte. Auch schlug er vor, dass Medienunternehmen versuchen sollten, andere Inhalte als Nachrichten zu monetarisieren, um ihre finanzielle Nachhaltigkeit zu sichern.  

Diversifizierung in der Ansprache von Zielgruppen

Das Medienkonsumverhalten der jungen Zielgruppe unterscheidet sich deutlich von dem Verhalten älterer Zielgruppen. Sie ist ein wichtiges Publikum, dessen Ansprache sich für Nachrichtenmedien lohnt. Gleichzeitig zählt diese Zielgruppe zu den Stärksten im Hinblick auf die Nachrichtenvermeidung. Daher ist eine angepasste Ansprache unumgänglich. In ihrem Vortrag sprach Kassy Cho, Gründerin und Chefredakteurin des taiwanesischen Medienunternehmens Almost, über diese Problematik. Die Journalistin empfahl Medienunternehmen, in junge Menschen zu investieren, da es sich bei ihnen um das zukünftige Publikum handelt. Um die junge Zielgruppe zu erreichen, nannte sie Social-First-Methoden als wichtigen Ansatz für Medienunternehmen.  

Die Journalistin beschrieb, dass Nachrichtenmedien junge Menschen mit ihren Inhalten „finden“ müssen, damit sie diese konsumieren. Es sei wichtig, die Zielgruppe auf den Plattformen anzutreffen, wo sie sich aufhält und sie mit den Themen anzusprechen, für die sie sich interessiert. Viele Themen, denen die junge Zielgruppe ihre Aufmerksamkeit widmet – kultureller Imperialismus, Dekolonisation, Menschenrechte und weitere – würden Cho zufolge bei den meisten Medienunternehmen fehlen. Nur mit einer Anpassung der Inhalte an die Zielgruppe können Medienunternehmen dazu beitragen, dass die von ihnen produzierten Nachrichten ihre Leser erreichen. Dafür muss ein besseres Verständnis der Zielgruppe erfolgen, in diesem Fall: ein besseres Verständnis der jungen Generation.  

Patric Hamsch, stellvertretender Leiter der Medienabteilung des schwedischen Unternehmens NWT Media, sprach in seinem Vortrag darüber, wie Medienunternehmen die junge Zielgruppe von 18 – 29 Jahren erreichen können. Als Basis nannte auch er Wissen: Medienunternehmen sollten mehr über die Bedürfnisse, Interessen, Probleme und Passionen der Zielgruppe lernen, um sie adressieren zu können. Denn mittels erhobener Daten zu dieser Zielgruppe lassen sich journalistische Inhalte mit hoher Relevanz erstellen.  

Hamsch verriet außerdem Insights zu einem Projekt, mit dem die Ansprache der jüngeren Zielgruppe für die schwedische Zeitung Nya Wermlands-Tidningen verstärkt wurde: Der Launch eines reduzierten Abonnementpreises für unter 30-Jährige. Die 16- bis 24-Jährigen lesen seitdem die Inhalte kostenfrei, während 25 - 30-Jährige einen Preis von fünf Euro pro Monat zahlen. Damit wurden für die junge Zielgruppe einfache und günstigere Wege bereitgestellt, sich für journalistische Inhalte anzumelden. Hamsch zufolge sei ein tiefes Verständnis der Zielgruppe für Projekte wie diese unerlässlich.  

Tomasz Grabowski, Vorstandsmitglied des polnischen Medienkonzerns Agora SA, sprach in seinem Vortrag ebenfalls über die Anpassung von Inhalten an individuelle Zielgruppen. Die potenziellen Rezipienten journalistischer Inhalte umfassen aktuell fünf Generationen. Daher sollte die Produktanpassung der Medienunternehmen im Vordergrund stehen und generationsübergreifend verbessert werden. Grabowski schlägt ein Produkt mit „verschiedenen Geschmacksrichtungen“ vor, das angestrebt werden sollte, um Unterschiede zwischen den Generationen zu überbrücken.  

„Redaktionen können die Transformation nicht komplettieren, sondern vielmehr handelt es sich dabei um etwas, was Unternehmen internalisieren und in ihr Muskelgedächtnis aufnehmen müssen.“ (Earl J. Wilkinson, CEO INMA)

Top 3 aktuelle Herausforderungen für Medienunternehmen  

Die bereits im Text erwähnte INMA-Umfrage unter 55 Führungskräften stellt eindrucksvoll die drei größten aktuellen Herausforderungen für Medienunternehmen heraus. Es zeigt sich, dass Erhaltung und Steigerung der Konsumumsatzes in diesem Jahr an erster Stelle stehen, ebenso wie im vergangenen Jahr. Verständnis und Einsatz von generativer KI folgen an zweiter Stelle. Die Umfrage verdeutlicht, dass generative KI für die Befragten im Vorjahr noch kein Grund zur Sorge war. Die Technologie hat damit einen beachtlichen Sprung in seiner Präsenz für die Medienbranche gemacht. Fast unverändert ist der Punkt der Diversifizierung und des Ausgleichs verschiedener Einnahmequellen, der sowohl im Jahr 2023 als auch im Jahr 2024 als drittgrößte Herausforderung angegeben wird.  

Quelle: Earl J. Wilkinson, INMA-Weltkongress

Fazit  

Die auf dem INMA-Weltkongress geteilten Insights verdeutlichen, dass sich die Verlagsbranche weiterhin im Umbruch befindet. Neue Chancen und Herausforderungen kommen für Medienschaffende kontinuierlich dazu und zwingen sie, sich dem Wandel anzupassen.  

Dieses Jahr bringen besonders die Nutzung, Einführung und das Verständnis von generativer KI starke Veränderungen. Zeitnahes Handeln ist daher besonders wichtig, um die Vorteile dieser Technologie nutzen zu können. Auch im CMS von Purple kommt generative KI zum Einsatz. Das Purple Prompts Feature erleichtert die Workflows von Redakteuren, indem es repetitive Aufgaben automatisiert und unterstützt so die Transformation von Verlagen.  

Eine weitere Herausforderung für die Verlagsbranche ist der Ausbau digitaler Abonnementmodelle. Dieses Geschäftsmodell sollte kritisch betrachtet werden, denn es zählt nicht nur die damit erstrebte Gewinnmaximierung, sondern auch, dass Journalismus für die die gesamte Gesellschaft relevant bleibt.  

Medienunternehmen befinden sich auch im Hinblick auf die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen in einer Transformation. Die Wichtigkeit der individualisierten Inhaltsformate und des Wissens um die Interessen, insbesondere der jüngeren Zielgruppe, sind bedeutend.  

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