Wie Verlage KI zur Produktivitätssteigerung nutzen – und wo noch Potenzial besteht

Ninja Sinke

Generative KI transformiert weiterhin die Medienbranche und ermöglicht nicht nur effizientere Abläufe, sondern auch neue Geschäftsmodelle. Der KI-Reifegrad-Report 2024 bietet wertvolle Einblicke zum aktuellen Stand der KI-gestützten Content-Erstellung deutscher Verlage.

Derzeit befindet sich die Medienbranche in einer Phase, in der künstliche Intelligenz vor allem zur Effizienzsteigerung und Optimierung genutzt wird. Die Tools rationalisieren und verbessern etablierte redaktionelle Abläufe, insbesondere bei repetitiven Aufgaben, die effizienter ausgeführt werden können.  

Laut dem KI-Reifegrad-Report 2024, erstellt vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger in Zusammenarbeit mit Retresco, ist generative KI bereits weitgehend in deutschen Medienunternehmen etabliert. 85 Prozent der befragten Verlage setzen die Technologie aktiv ein, und 13 Prozent planen, sie in Zukunft zu nutzen. Dennoch ist die Technologie noch nicht flächendeckend im Einsatz – und die Potenziale der generativen KI bleiben nach wie vor ungenutzt. Das wird deutlich, da nur 13 Prozent der Befragten angeben, dass in ihrer Redaktion 51 bis 100 Prozent der Journalisten KI-Tools regelmäßig nutzen. Die übrigen Befragten geben eine deutlich geringere Nutzung in ihrer Redaktion an.  

Deutsche Medien nutzen KI als unterstützendes Werkzeug

Deutsche Medienunternehmen setzen KI-Anwendungen vor allem für die Texterstellung ein, hauptsächlich als Assistenz im kreativen Bereich. Vollständig autonome Textproduktion mit KI findet bei den befragten Unternehmen dagegen nicht statt. Grund dafür ist unter anderem, dass ein Großteil der Menschen skeptisch auf KI-generierte Inhalte reagiert, zeigt der Reuters Digital News Report 2024. Auch die noch nicht ausreichende Qualität des Outputs der KI-Tools ist für Verlage ausschlaggebend.  

Ähnlich verhält es sich bei der Podcast-Produktion: Nur drei Prozent der befragten Unternehmen lassen Podcasts vollständig autonom von KI produzieren und nutzen die Technologie vor allem als Werkzeug. Gründe dafür sind hohe Qualitätsanforderungen des Journalismus, die noch begrenzten Verlässlichkeit der Technologie, technische Einschränkungen sowie ethisch und rechtlichen Bedenken.  

Die Kombination von KI und menschlicher Arbeit zeigt sich dagegen als vielversprechend für die Content-Erstellung. Das zeigt sich insbesondere bei Audio-Formaten, die ein Drittel (34 Prozent) der befragten deutschen Medienunternehmen zeit- und ressourcensparend mithilfe von KI produziert. KI-basierte Text-to-Speech-Programme vereinfachen beispielsweise die Erstellung von Newspodcasts: Der vorbereitete Text wird durch generative KI in Sprache umgewandelt und von einer künstlichen Stimme gesprochen.  

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Anteile von Text, Audio, Video und Bild, die befragte Verlage mit KI-Unterstützung erstellen (KI-Reifegrad-Report 2024)

Bei der Aachener Zeitung verantwortet Audio-Manager Peter Engels den Bereich Audio zurzeit allein. Durch KI-gestützte Schnittprogramme mit Sound-Optimierung und Transkriptionssoftware sowie die Unterstützung aus der Redaktion kann auch die Aachener Zeitung als kleineres Medium erfolgreich Podcasts produzieren. Nach zwei Jahren Podcast-Produktion mit KI steigen die Reichweiten, und erste Formate finanzieren sich bereits durch Sponsoren.  

Für den Interviewpodcast „Alles gesagt“ der ZEIT ermöglichte generative KI eine Übersetzung des Formats ins Deutsche. Dabei wurden die Stimmen von Hosts und Gast simuliert, was eine ressourcenschonende Produktion einer zusätzlichen Folge und die Ansprache einer neuen Zielgruppe ermöglichte.  

Trotz der Arbeitserleichterung durch KI-Bearbeitung treten gelegentlich Abweichungen wie Stimmverfremdungen auf. Deshalb bleibt eine Überprüfung durch die Redakteure unverzichtbar. Da KI-Tools immer zuverlässiger werden, reduziert sich der Aufwand für den Audio-Schnitt, und es bleibt mehr Zeit für die eigentliche Content-Erstellung. Generative KI ermöglicht kleineren Redaktionen, erfolgreich Podcasts zu produzieren, neue Formate auszuprobieren und ressourcensparend Geschäftsmodelle zu erweitern.  

Wichtigste Einsatzgebiete generativer KI für deutsche Medienunternehmen  

Für deutsche Medienunternehmen ist der Einsatz von KI aktuell besonders in den Bereichen Print-Layout, Social Media Monitoring und Ideenfindung bedeutend (KI-Reifegrad-Report 2024). An erster Stelle steht die Print-Layout-Erstellung mithilfe generativer KI, die bei 61 Prozent der befragten Unternehmen im Einsatz ist.  

Ein Beispiel dafür ist die Nordwest-Zeitung, die mit generativer KI innerhalb weniger Minuten eine komplette Ausgabe und sogar mehrere Ausgaben parallel erstellen lässt. Mit nur geringem Nachbearbeitungsaufwand erledigt die KI die Arbeit eines gesamten Tages in Sekunden. Die freigewordenen Mitarbeitenden kann die NWZ nun für neue Projekte und zur Stärkung anderer redaktioneller Bereiche einsetzen. Durch die automatisierte Seitenproduktion erreicht die Nordwest-Zeitung somit einen erheblichen Effizienzgewinn.  

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Derzeit wichtigste Einsatzgebiete generativer KI bei deutschen Medienunternehmen (KI-Reifegrad-Report 2024)

Effizienzsteigerung ist zentraler Effekt generativer KI  

Deutsche Medienunternehmen haben klare Erwartungen an den Einsatz von KI. Fast alle Befragten (97 Prozent) stimmen zu, dass KI journalistische Prozesse durch Automatisierung effizienter gestaltet und ihnen zusätzliche Freiräume schafft. Neben Zeitersparnis beobachten 47 Prozent der Unternehmen auch eine Verbesserung der inhaltlichen Qualität mit generativer KI.  

Darüber hinaus sehen deutsche Medien in KI-Technologien das Potenzial, die Entwicklung neuer Produkte und Funktionen voranzutreiben. Durch eine erhöhte Quantität redaktioneller Inhalte können Verlage ein vielfältigeres Angebot schaffen. Der Einsatz generativer KI ist besonders in den Bereichen Bilderstellung (87 Prozent der Unternehmen), Recherche, Audio-Produktion und Text-Generierung bedeutend. Die befragten Unternehmen stehen KI-getriebenen Veränderungen überwiegend positiv gegenüber, was die zentrale Rolle unterstreicht, die die Technologie künftig in diesen Bereichen spielen wird.

Ein Beispiel für die Effizienzsteigerung durch KI ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die FAZ nutzt generative KI, um Artikel in der News-App zusammenzufassen. Früher fehlten Ressourcen, um Lesern Zusammenfassungen zu bieten, jetzt erhalten Abonnenten die Kernaussagen kompakt in vier Punkten. Diese KI-generierten Zusammenfassungen sind gekennzeichnet und ermöglichen Lesern, bei Fehlern Feedback zu geben. Die Funktion wird von den Lesern geschätzt und trägt dazu bei, neue Plus-Abonnenten zu gewinnen, erklärt Produktentwicklerin Martina Sorg im Interview mit Mediendienst kress. Mit KI bietet die FAZ ihren Lesern einen Mehrwert und spart gleichzeitig wertvolle Zeit.  

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Mit generativer KI erstellte Zusammenfassungen in der Newsapp (FAZ)

 

Von effizienteren Arbeitsabläufen in der Texterstellung profitiert auch die Hamburger Morgenpost. Die Wochenzeitung nutzt Purple Prompts, die nahtlose KI-Integration im CMS von Purple, um repetitive Aufgaben zu automatisieren. Purple Prompts ermöglicht der Redaktion die Verwaltung eigener Prompts und ihre Nutzung, um Texte beispielsweise effizient umschreiben zu lassen oder das Lektorat zu optimieren. Geschäftsführer und Verleger Arist von Harpe verrät im Podcast mehr zur Transformation seiner Zeitung mithilfe von KI und digitalen Technologien.  

OVB Media arbeitet mit KI-Anwendungen ebenfalls effizienter und spart monatlich 280 Stunden Zeit ein, indem in den Bereichen Social Media, Beschwerdemanagement und Whatsappistent generative KI einsetzt wird. BurdaForward bespielt mithilfe von KI erfolgreich 170 Themenkanäle auf WhatsApp – mit nur drei Mitarbeitenden – und schafft damit auf Focus Online, Chip, Bunte und mehr zwei Millionen Pageviews monatlich. Ein KI-assistiertes Matchmaking-Tool analysiert die themenspezifischen Postings des jeweiligen Kanals und schlägt der Redaktion automatisch weitere Artikel aus dem BurdaForward-Angebot vor. Der erfolgreichste Whatsapp-Kanal ist mit 231.000 Abonnenten Taylor Swift News – je spezifischer das Themenspektrum des Kanals, desto erfolgreicher und höher die Klickrate.  

Generative KI bietet Medienunternehmen den Vorteil, vielfältige Aufgaben mit geringerem Zeitaufwand bewältigen zu können. Dies ist besonders vielversprechend für regionale und lokale Redaktionen mit begrenzten Ressourcen. Laut einem Bericht von Enders Analysis ermöglicht KI gerade kleineren Redaktionen, eine Vielzahl von Aufgaben effizienter zu erledigen. KI-Tools steigern nicht nur die Effizienz bei repetitiven Prozessen, sondern sind ein wesentlicher Baustein für die Zukunft der Redaktionen.  

Ungenutzte Potenziale von KI  

Der KI-Reifegrad-Report 2024 zeigt nicht nur, dass KI in deutschen Medienunternehmen noch nicht flächendeckend genutzt wird, sondern auch, dass es in vielen Bereichen ungenutzte Potenziale gibt. Besonders wenig beachtet werden dabei die KI-unterstützte Personalisierung und SEO: 50 Prozent der Befragten planen in diesen Bereichen keinen Einsatz generativer KI.

Ein erfolgreiches Beispiel für KI-gestützte Content-Personalisierung kommt vom Kölner Stadt-Anzeiger. Die Zeitung setzt auf ein KI-gestütztes Empfehlungssystem, das auf „Collaborative Filtering“ basiert. Diese Technik analysiert das Nutzungsverhalten und erkennt die individuellen Interessen der Leser. Der Einsatz dieses Systems auf der Website des KStA sowie des Schwesterportals EXPRESS führte zu einer Steigerung der Klickrate um rund 85 Prozent. Neben der höheren Nutzerinteraktion entlastet die generative KI zudem die Redakteure: Da das manuelle Kuratieren der Inhalte automatisiert abläuft, können sich die Redakteure stärker auf die Content-Erstellung konzentrieren, was zu einer erheblichen Effizienzsteigerung führt.  

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Bewertung der Wichtigkeit von KI im Journalismus für unterschiedliche Bereiche (KI-Reifegrad-Report 2024)

Herausforderungen und Chancen von KI-Anwendungen in deutschen Verlagen

Der KI-Reifegrad-Report 2024 zeigt; der Einsatz von KI variiert stark in deutschen Verlagen. Während einige bereits intensiv KI-Technologien nutzen, mangelt es oft an personellen Ressourcen und technischem Know-how, um das voll Potenziale auszuschöpfen. Zu beachten ist, dass mit steigender Nutzung die positiven Erfahrungen in den Redaktionen wachsen. Regelmäßige Anwendung, mindestens wöchentlich, erhöht den „KI-Reifegrad“ der Mitarbeitenden und verbessert ihre Kompetenzen im Umgang mit der Technologie.  

Eine breite Anwendung von KI stößt allerdings auch auf Herausforderungen. Viele Verlage nutzen generative KI nicht vollständig, meist aufgrund von Wissenslücken bei den Mitarbeitenden. Weitere Hindernisse sind sogenannte „KI-Halluzinationen“ (inhaltliche Verzerrungen) sowie Bedenken hinsichtlich Datenschutzes und Rechtssicherheit. Auch das Vertrauen der Leserschaft in KI-generierte Inhalte bleibt ein kritischer Punkt. Um die Glaubwürdigkeit zu wahren, ist eine kontinuierliche Qualitätssicherung notwendig.  

Die Mehrheit der deutschen Medienunternehmen erkennt die Bedeutung von generativer KI für die Wettbewerbsfähigkeit: 87 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass KI ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt und 79 Prozent planen, KI in den kommenden zwölf Monaten fest in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren. Dies zeigt, dass KI in deutschen Medien nicht mehr nur als Experiment, sondern als produktives Werkzeug angesehen wird. Für viele Verlage ist generative KI bereits fester Bestandteil des journalistischen Alltags.  

Die anhaltende Effizienzphase, die durch KI ermöglicht wird, bedeutet für die Branche mehr als nur Kostenersparnis und Effizienzsteigerung. Künstliche Intelligenz wird zunehmend als Werkzeug für hochwertigen Journalismus angesehen – vorausgesetzt, Medienschaffende verfügen über das nötige Wissen, um die Technologie sinnvoll einzusetzen. Für Verlage ist es entscheidend, geeignete Anwendungsfälle zu identifizieren und kontinuierlich zu experimentieren, um die Vorteile generativer KI maximal zu nutzen. KI sollte ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie von Verlagen werden, damit Medienunternehmen das volle Potenzial dieser Technologie ausschöpfen und ihre Innovationskraft langfristig sichern können. Daher sollten Verlage ihre KI-Kompetenzen gezielt stärken.  

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Kevin Kallenbach, Head of Sales, Purple
Kevin Kallenbach
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