Strategien und Einblicke: Verlage auf dem Weg zur digitalen Transformation

Ninja Sinke

Aktuelle Entwicklungen beschleunigen den Wandel der Medienwelt. Daher müssen Verlage das Printgeschäft revolutionieren und ihre Geschäftsmodelle digital anpassen. Dr. Christoph Mayer, Experte für zukunftsorientierte Medienstrategien, bietet wichtige Einblicke in die damit verbundenen Herausforderungen, Chancen und mögliche Strategien.

Die Medienwelt befindet sich in einem rapiden Wandel. Verlage stehen vor der Herausforderung, das Printgeschäft zu revolutionieren und Geschäftsmodelle anzupassen, um auch digital wirtschaftlich zu bleiben. Es ist daher wichtig, die unterschiedlichen Herausforderungen und Chancen, die der Wandel mit sich bringt, zu beleuchten und mögliche Strategien zu kennen. Dr. Christoph Mayer, Partner bei Highberg und Experte für zukunftsorientierte Medienstrategien, hat dazu beim Purple Day 2024 wichtige Einblicke gegeben, die in diesem Artikel für Sie zusammengefasst sind.    

Entwicklung von Print-Auflagen, Vertriebserlösen und Werbemarkt

In den letzten 20+ Jahren hat sich im Zeitungsgeschäft eine vorhersehbare Entwicklung vollzogen, die Print-Auflagen, den Werbemarkt und Vertriebserlöse betrifft und Medienschaffende vor Herausforderungen stellt.  

Print-Auflagen sind leicht rückläufig, je nach Verlag und Region zwischen -1 Prozent und -5 Prozent. E-Paper und Web federn diese Entwicklung mit ihren Erlösen leicht ab, können dem jedoch nicht entgegenwirken. Der Werbemarkt ist insgesamt rückläufig und verzeichnet starke Verluste. Demgegenüber stehen leicht wachsende Vertriebserlöse, die durch Abonnement-Preiserhöhungen entstehen. Jedoch sind diese Preiserhöhungen endlich, weshalb das leichte Wachstum seit zwei bis drei Jahren kippt.  

Getrieben wird diese Entwicklung von der Altersstruktur der Print-Abonnenten, denn dieser Markt besteht vor allem aus der älteren Bevölkerung. Schätzungen zufolge wird diese Leserschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren jedoch stark abnehmen. Davon werden 40 Prozent der Print-Abonnements betroffen sein, weshalb sowohl die Print-Auflagen als auch die Erlöse drastisch sinken werden. Als Folge sinkt die Zustelldichte, weshalb die Stückkosten der Zustellung explodieren werden.  

Als Resultat dieser Entwicklungen werden künftig ganze Bezirke für Print-Auflagen unwirtschaftlich, weshalb Print-Abonnements aktiv abgeschaltet werden und die Auflage noch weiter sinken wird. Dies führt zu einer deutlichen Abwärtsspirale und in den nächsten fünf bis zehn Jahren dazu, dass es für Verlage nicht mehr möglich sein wird, Print-Ausgaben wirtschaftlich zuzustellen.  

Print oder E-Paper – was ist wirtschaftlicher für Verlage?

Fakt ist, dass nicht alle Leser gleichzeitig digitalisiert werden können. Da das Print-Geschäft immer unwirtschaftlicher wird, müssen Verlage dennoch handeln. Wie sollten Verlage vorgehen, um weiterhin wirtschaftlich zu funktionieren? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich zunächst ein Vergleich von Print und Digital.

E-Paper und Plus-Abonnements sind aufgrund der geringeren Herstellungs- und fehlender Zustellungskosten günstiger als Print. In einer rein digitalen Welt, in der es keine Print-Ausgaben mehr gibt, fallen ungefähr die Hälfte der Kosten für Verlage weg. In diesem Fall kommt die Frage auf, wie viele E-Paper, Abonnements, Plus werden gebraucht, um wirtschaftlich zu sein. Zwar ist die Kostenbasis in diesem Fall halbiert, digitale Produkte haben jedoch einen deutlich geringeren Durchschnittserlös. Der Preis eines Plus-Abonnements beträgt ein Viertel des Preises von Print, beim Preis eines E-Papers ist es die Hälfte. Daher müsste die Anzahl reiner Plus-Abonnements beispielsweise mehr als doppelt so hoch sein, wie die der heutigen Print-Abonnements, eine kaum umsetzbare Herausforderung.  

Verlage sind nach Schätzungen zukünftig optimal aufgestellt, wenn ihre Abonnements zur Hälfte aus E-Paper und Plus bestehen. Die angestrebte Anzahl der digitalen Abonnements sollte daher genauso hoch sein, wie die Zahl der heutigen Print-Abonnements.  

Deutliche Differenzen zwischen den Produkten Print und Digital

Print und Digital unterscheiden sich in mehreren grundlegenden Aspekten, allen voran die physische und virtuelle Form der dargestellten Inhalte. Die Greifbarkeit eines Print-Produktes spiegelt sich in der Greifbarkeit der Nutzerschaft wider, denn Print ist nur als reines Plus- oder Kaufprodukt vorhanden. Digitale Angebote sind dagegen sowohl als freies als auch als Kaufprodukt vorhanden, das macht die Nutzer insgesamt schwerer greifbar.  

Auch in der Zustellung werden die Unterschiede deutlich: Leser können Print-Produkte schwierig bis gar nicht ignorieren, da sie als Push-Produkt zu ihnen nach Hause kommen. Zudem ist der gefühlte Wert höher und die Zustellung erfolgt, bei Tageszeitungen, jeden Tag. Als Pull-Produkt kann Digital ignoriert oder vergessen werden, auch ist der Wert nur vorhanden, wenn es aktiv genutzt wird. Diese Eigenschaften spiegeln sich auch im allgemeinen Produktwert wider. Print-Produkte werden dagegen durchgeblättert und die enthaltenen Artikel sind sofort sichtbar und „geöffnet“. Dagegen werden viele Artikel im Digital-Format nie gesehen und müssen zudem aktiv geöffnet werden.

Zwei Märkte mit unterschiedlichen Zielgruppen

Print und Digital weisen deutliche Produkt-Unterschiede auf, dennoch unterliegen Verlage, wenn sie künftig wirtschaftlich handeln möchten, dem Wandel zu Digital-Produkten. Es stellt sich die Frage, ob mit einer Kombination aus Print und Digital dieselbe Marktausschöpfung realistisch ist, wie vormals mit Print.  

Dazu ist zunächst wichtig, sich die Märkte anzuschauen, in denen die Produkte sich befinden. Aufgrund der Altersverteilung der Leserschaft lassen sich zwei Märkte herausstellen: Die Altersstruktur der Print-Abonnements und der E-Paper-Abonnements ist relativ ähnlich, während sich die der Plus-Abonnements deutlich davon abgrenzt. Es handelt sich um zwei getrennte Märkte.  

Da Print unwirtschaftlich wird, muss die Zielgruppe der Print-Abonnementen zukünftig in E-Paper-Leser umgewandelt werden. Bei der Leserschaft von Plus-Abonnements handelt es sich dagegen um neue, noch nicht angesprochene Zielgruppen. Daher ist es für Verlage von Bedeutung, in ihrer Leserschaft Konvertierungen von Print zu Digital zu erzielen. Bei bekannten Fällen sind diese Konvertierungsquoten bislang sehr unterschiedlich. Im schlechtesten Fall liegen sie bei 20 bis 30 Prozent, in den meisten Fällen bei 50 bis 60 Prozent und teilweise sogar bei guten 70 bis 80 Prozent.  

In den meisten Fällen sind diese Konvertierungen erzwungen. Print-Ausgaben wurden von Verlagen ab einem bestimmten Zeitpunkt abgeschafft und Digitalangebote als Alternative geboten. Die Quoten sind bei „freiwilligen“ Konvertierungen dagegen deutlich höher, wenn Print-Angebote bestehen bleiben aber Anreize geschaffen werden, Digital-Angebote zu bevorzugen. Was können Verlage daraus lernen?  

Strategien, um das digitale Geschäftsmodell umzusetzen

Auf dem Weg zum digitalen Geschäftsmodell können Verlage verschiedene Strategien einsetzen – in Kombination oder einzeln. Dabei ist zu beachten, dass nicht erst die Unwirtschaftlichkeit von Print-Abonnements in einer Gegend die Umstellung auf Digital initiieren muss. Bereits vorher können Verlage strategisch vorgehen und ihre Leserschaft mit verschiedenen Methoden dazu animieren, Digital-Angebote zu nutzen. Dazu zählt beispielsweise die Reduzierung der Zustelltage für Print-Angebote, um die Leserschaft an das digitale Produkt heranzuführen.  

Folgende drei Strategien führen zum digitalen Geschäftsmodell:

  • Strategie 1: Lebenszeit Print verlängern
  • Strategie 2: Print-Abonnenten bei Digitaltransformation unterstützen
  • Strategie 3: Print-Abonnenten müssen Digital-Angebote nutzen

Pull- und Push-Strategien für die digitale Transformation

Um die Nutzung digitaler Angebote zu erhöhen, gibt es verschiedene Pull- und Push-Strategien.  

Es lohnt sich für Verlage, die Vorteile eines E-Papers zu kommunizieren. Dazu gehört beispielsweise die frühere Zugänglichkeit zu den Inhalten, die schon am Vorabend erfolgen kann. Ein weiterer Punkt ist die vereinfachte Nutzung und Zugänglichkeit: mit täglicher E-Mail oder WhatsApp-Nachricht können Verlage direkt Links zum E-Paper verschicken – ohne dass Abonnements abgeschlossen oder Apps heruntergeladen werden müssen.  

Auch das Schaffen von Anreizen, E-Paper zu lesen, ist vielversprechend. Darunter fällt das Bundling, mit dem E-Paper in teuren Gebieten für Print-Abonnenten kostenfrei zur Verfügung gestellt werden können. E-Paper können zudem mehr Inhalte erhalten oder Inhalte, die ausschließlich im E-Paper zu lesen sind.  

Trainings ermöglichen es Verlagen, aktiv die Nutzung digitaler Angebote zu unterstützen. Besonders die ältere Leserschaft zu trainieren kann über ein Lesertelefon, Erklärvideos online oder auch Veranstaltungen vor Ort erfolgen, die E-Paper erklären. Ein wichtiger Punkt ist auch das Einrichten von Internetanschlüssen und die Zusammenarbeit mit Vereinen, die ältere Menschen digital schulen.  

Freiwillige vs. gezwungene Konversion

Die meisten Fälle, in denen Digitalkonversion stattgefunden hat, wurden von den Verlagen „erzwungen“, es gab für die Leserschaft demnach keine Alternativen. Das ist in Gebieten notwendig, in denen Print bereits unwirtschaftlich geworden ist. Es zeigt sich jedoch ein deutlicher Nachteil erzwungener Konversionen: eine geringe Wandlungsquote bei hohen Kosten, um Print-Abonnenten in Digital-Kunden zu generieren. Dieses Vorgehen ist aufgrund der hohen Kosten für Verlage unvorteilhaft, ebenso ist die Haltbarkeit dieser Leserschaft ungewiss.  

Deshalb sollten Verlage stattdessen in Gebieten, in denen die Wirtschaftlichkeit für Print aktuell noch gegeben ist, freiwillige Veränderung initiieren. Die Leserschaft sollte mit Anreizen dabei unterstützt werden, digitale Angebote zu abonnieren.  

Fünf Komponenten für den Erfolg im Digitalen

Um qualitativ hochwertige und erfolgreiche Digital-Produkte zu schaffen, können Verlage fünf Komponenten befolgen.  

  • User Needs: Das Beachten der User Needs verändert die Arbeit in der Redaktion. Neben klassischen Nachrichtenstücken entstehen neue Formate, wie Hintergrund- und Erklärungsstücke, Terminankündigungen und Ratschläge, Analysen und Kommentare, ermutigende und lösungsorientierte Geschichten und unterhaltsame Formate. Die neu entstehenden Geschichten funktionieren Daten von Highberg zufolge digital besser und erzielen eine höhere durchschnittliche Media Time auf Artikeln.  
  • Sendeplan: Abhängig von den User Needs und weiteren Kennwerten können Verlage eine Art „Sendeplan“ erstellen. Wann welche Formate digital veröffentlicht werden, richtet sich so nach den Bedürfnissen der Leserschaft. Montags können unterhaltsame Formate dominieren, die von klassischen Nachrichtenformaten und ermutigenden Geschichten unterbrochen werden. Wann welche Inhalte angeboten werden, richtet sich nach den User Needs.
  • Newsletter: Diese Komponente kann ebenfalls maßgeblich zum Erfolg digitaler Produkte beitragen. Newsletter ermöglichen nicht nur direkte Kommunikation mit der Leserschaft, sondern verstärken zusätzlich die Personalisierung der Inhalte. Über gezielte Werbung werden außerdem Umsatzmöglichkeiten geschaffen, das unterstützt die Monetarisierung der publizierten Inhalte.  
  • Personalisierung: Diese Komponente kann die Relevanz einzelner Produkte deutlich erhöhen. Dabei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Topic-Personalisierung richtet sich nach sublokalen Interessen und Themen, während Geo-Personalisierung Orte und Regionen betrifft. So können perspektivisch bei Abonnements personalisierte Inhalte auf der Startseite ausgespielt werden.  
  • KI-Support: Mithilfe von KI lassen sich Inhalte in großen Massen verarbeiten und neue, personalisierte Inhalte erstellen.  

Fazit zur digitalen Transformation

Für Verlage ist es wichtig, dass sie ihre Print-Leserschaft in Richtung der Digital-Abonnements „schieben“. Durch Nutzung digitaler Angebote steigt die Akzeptanz ihnen gegenüber, sodass beim Wegfall von Print bereits eine Grundakzeptanz vorhanden ist. Das ist wichtig, da das Ende von Print-Produkten schneller einsetzen wird, als bislang vermutet.  

Verlage sollten unbedingt strategisch vorgehen und Daten zu unterschiedlichen Bezirken, in denen die Leserschaft lebt, sammeln. Das dient dazu, nicht nur die Wirtschaftlichkeit einschätzen zu können, sondern auch strategische Maßnahmen an den Zustand der Bezirke anzupassen.  

Das grundsätzliche Verständnis der Bedürfnisse der Leserschaft ermöglicht Verlagen, Prioritäten zu setzen. So können einerseits Bezirke mit der größten wirtschaftlichen Dringlichkeit zuerst an Digital-Produkte herangeführt werden. Andererseits können personalisierte Inhalte erstellt werden und geschaffene Anreize ein stärkeres Engagement erzeugen. So können Verlage die Nutzung digitaler Produkte verstärken und ihre digitale Transformation vorantreiben. Denn bislang wächst der Bereich der Digital-Produkte nicht schnell genug, um der zunehmenden Unwirtschaftlichkeit von Print etwas entgegen setzen zu können.  

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Kevin Kallenbach, Head of Sales, Purple
Kevin Kallenbach
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